
- Fertigstellung: 20.12.2020
- Kategorie: Holz
- Unternehmen: Kleinwechter & Bröker GmbH
Die Restaurierung des „Alten Zollhauses“ – eins unserer spannendsten Projekte, welches uns fast 1,5 Jahre herausgefordert hat, mit einer Mischung aus moderner Dachkonstruktion und traditionellem Zimmererhandwerk. Beim „Alten Zollhaus“, früher im Ort auch nach den vorherigen Eigentümern Haus Palz genannt, handelt sich um ein sehr großes Vierständerhallenhaus mit Längsdiele, abgetrennten Flettküchenbereich und Kammerfach. Das Haus von 11 Gebinden mit eingehälsten Balken wurde aus ungewöhnlich stark dimensionierten Eichenbalken verzimmert, wobei auf dem als Sparrenschwelle dienenden Wandrähm 15 Sparrenpaare (ohne die beiden Giebeldreiecke) stehen. Die Sparren sind von Süden nach Norden auf der Westseite mit römischen Zahlen durchnummeriert, so dass erkennbar ist, dass das gesamte Hausgerüst in einem Guss entstanden ist.
Ziel des Projektes war es, eines der ältesten Gebäude des Ortes Senden in Westfalen zu sanieren und in ein Begegnungszentrum für die ganze Dorfgemeinschaft umzubauen – und so ein Highlight in der Ortsmitte für alle Menschen und Vereine in Senden zu schaffen.
Einerseits war es unsere Aufgabe, im Bereich des Fachwerks und des Dachstuhls möglichst viel der alten Substanz zu erhalten. In Zusammenarbeit mit der Architekten Arbeitsgemeinschaft Scholz Architekten & Mensen + Zora Architekten und der Denkmalbehörde wurde der Umfang des Austausches bis hin zur Erneuerung festgelegt. Nach der Sanierung des kompletten Dachstuhls und des Fachwerks wurde dies sandgestrahlt. Die Balkenlage des Dachbodens wurde mit einer Eisenkonstruktion zusätzlich statisch ertüchtigt, ausgerichtet und verschalt.
Andererseits musste ein komplettes Unterdach und eine neue Dacheindeckung installiert werden. Hier wurden die bestehenden Eichensparren zunächst saniert, dann mit KVH-Keilen aufgedoppelt, diese mit einer sichtbaren Lattung versehen und mit einer Holzwolleleichtbauplatte (HWL), gespritzt in Ral 7036 / platingrau, eingedeckt.
Auf die HWL-Platten wurde eine 100 mm Gutex Ultratherm Platte als Dämmung montiert. Bedingt durch die besonders großen Sparrenabstände erfolgte die Dachlattung mit 6×8 cm KVH-Latten. Als Eindeckung wurde der Denkmalschutz-Ziegel H15 der Firma Nelskamp aus Schermbeck in Naturrot schwach reduziert mit Geradeschnitt und Schattenfuge gewählt.
Die Fachwerkfassade wurde schrittweise saniert, Ständer, Stiele, Kopfbänder, Riegel, Konsolen ausgetauscht, ergänzt und ausgerichtet. Der Südgiebel wurde zusätzlich mit einer Holzschindeldeckung aus Eiche, nach dem historischen Vorbild, verkleidet.
Außerdem wurde als Abschluss der Arbeiten der Bosen des Kamins durch uns komplett erneuert und mit traditionellen Schwalbenschwanzverbindungen an der Balkenlage aufgehängt.
Das Haus trug ehemals die Bezeichnung „Gildehaus“ oder „Gillhaus“. Bauten unter der Bezeichnung wie Gildehaus bzw. Gildespeicher lassen sich an verschiedenen Kirchhöfen des Münsterlandes nachweisen, wobei sie darauf hinweist, dass es sich um ein Gebäude im Besitz von Bruderschaften (=Gilden) handelte oder es von einer solchen benutzt wurde.
In Senden wurde vor diesem Hintergrund offenbar ebenfalls ein großes, wohl letztlich von den Drosten zu Senden eingerichtetes Gasthaus als „Gildehaus“ bezeichnet, d.h. dieses wurde auch für öffentliche Zusammenkünfte genutzt.
1587 wurde das gesamte Dorf, von in das Münsterland einfallenden spanischen Truppen niedergebrannt. 1680 wurden bei einem weiteren Dorfbrand etwa 40 der bestehenden Häuser zerstört. Es ist nicht bekannt, in wieweit hiervon jeweils auch das Anwesen Gildehaus betroffen war. Denkbar ist, dass das heute bestehende Haus nach dem Dorfbrand von 1680 errichtet worden ist.
Das Gebäude wurde 1992 in die Denkmalliste der Stadt Senden eingetragen. Heute strahlt das „Alte Zollhaus“ in neuem Glanz. Unsere Mitarbeiter strahlen vor Stolz, nach dieser herausragenden Leistung, Dornröschen aus dem Schlaf geweckt zu haben.