- Fertigstellung:
- Kategorie: Bauherr 2016
- Unternehmen:
Aufmerksam wurden wir auf das Anwesen durch eine Ausschreibung der verkäuflichen Baudenkmale des RP Baden-Württemberg. Der Bolberg-Hof in Mössingen befand sich in Privatbesitz und war ununterbrochen bewohnt. Das Wohngebäude sah von außen durch das Sichtfachwerk recht ansprechend aus, allerdings waren die historischen Sprossenfenster durch zweifach verglaste Fenster im Stil der 70er Jahre ersetzt worden. Auch die Außenanlagen waren durch Betonvorbauten entstellt.
Vieles von der historischen Ausstattung im Inneren des Wohnhauses war im Laufe der Zeit durch Nutzung und Verschleiß reduziert oder überbaut worden.
Erkennbar historische Befunde waren eine Stubentür mit Kastenschloss, eine Felderdecke in der Stube, Reste von Stuckprofilen in einigen Stuben und wenige Lambrien hauptsächlich im Flurbereich.
Wir erwarben das Objekt im Juli 2010 weil wir glaubten, dass es keiner umfangreichen Sanierungsarbeiten bedurfte, um das Wohnhaus in bewohnbarem Zustand zu erhalten. Von Anfang an war es unsere Absicht, das Objekt substanzerhaltend, schonend und nachhaltig zu sanieren. Die in der Gegend viel geübte Praxis des kompletten Rückbaus bis zum Fachwerkskelett kam für uns nie infrage. Auch wussten wir, dass man bei der Restaurierung von Fachwerkbauten durch ungeeignetes Material erhebliche Folgeschäden verursachen kann. So war es unser vorrangiges Anliegen, geeignete Handwerker zu finden die unsere Vorstellungen teilten und fachlich in der Lage waren sie umzusetzen.
Im Internet stießen wir auf die Firma DenkAFMal in Bad Marienberg. Der Inhaber Alexander Fenzke, Maurermeister, Lehmbauer und Restaurator im Maurerhandwerk, hatte sich vor einigen Jahren selbständig gemacht um sich ausschließlich der nachhaltigen Restaurierung von Altbauten mit denkmalgerechten Techniken und natürlichen Materialien widmen zu können. Ihn luden wir ein und baten ihn um eine fachmännische Einschätzung des Sanierungsbedarfs. Diese Begegnung veränderte unser Leben buchstäblich in dramatischer Weise.
Zunächst jedoch riet er uns zu einer gründlichen Voruntersuchung, die er im März 2011 zusammen mit der Firma Qubicus, Inhaber Mathias Gläser, Zimmerermeister und ebenfalls Restaurator im Handwerk, durchführte. Die Dokumentation der Untersuchung einschließlich Instandsetzungskonzept und Kostenplanung wurde im November 2011 vorgelegt.
Die Konzeption orientierte sich eng an den Grundsätzen der Charta von Venedig. Oberstes Ziel dabei war Nachhaltigkeit und bestmögliche Bestandserhaltung unter Verwendung denkmalgerechter Materialien wie Holz, Lehm, Kalk und Leinöl sowie historischer Handwerkstechniken. Form und Funktion sämtlicher Bauteile sollten möglichst unverändert erhalten bleiben wie z.B. Kaltdach und Gewölbekeller mit Stampflehmboden.
Gleichzeitig wurde ein umfassendes Konzept zur energetischen Ertüchtigung des Wohngebäudes unter Verwendung von Lehm, Weichholz, Zellulose, Wandheizungs-elementen und Dreifachverglasung vorgelegt, das die gesetzlichen Ansprüche an ein denkmalgeschütztes Gebäude erfüllte.
Es zeigte sich sehr schnell, dass überall am Gebäude enorme Mengen an schädlichen weil wasserdampfsperrenden Baumarktmaterialien als Anstriche, Verkleidungen, Dämmung oder Dichtmaterial verbaut worden waren. Wir mussten immer wieder sehr viel Handwerker- und Eigenleistung investieren um Massen von PU-Schaum, Styropor, Glaswolle, Beton, Rigips-Platten und Laminat zu entfernen. In Handarbeit wurden synthetische Farbanstriche vom Fachwerk vorsichtig mechanisch entfernt und mit feinem Sand anschließend schonend abgestrahlt. Kunststoffputze mussten von allen Außenwänden, auch im Innenbereich, entfernt werden.
Dies alles kostete zwar Zeit und Geld, erwies sich aber als notwendig um die Bausubstanz vor dem äußeren und inneren Verfall zu retten und eine nachhaltige Grundlage für die fachgerechte Reparatur und Schutzbehandlung mit denkmalverträglichem Material wie Holz, Leinölfarbe, Kalk- und Lehmputze zu schaffen. Wir wollten nicht nur eine ansprechende Fassade schaffen, sondern die über dreihundert Jahre alten Gebäude von Grund auf so ertüchtigen dass sie weitere Jahrhunderte ohne innere Schäden überdauern können.
Durch das sehr differenzierte energetische Gesamtkonzept mit Zellulose- und Weichholz-dämmung, Lehmputzen, Wandheizungselementen, gedämmten Türen und dreifach verglasten Fenstern – jeweils nach historischen Fotos vom Wohnhaus angefertigt – wurde nicht nur ein angenehmes und gesundes Raumklima geschaffen sondern auch hohe Energieeffizienz erreicht.