- Fertigstellung: 27.11.2020
- Kategorie: Metall
- Unternehmen: M. Pech Bedachungen, Soest / Wiens Dach- & Holzbau GmbH & Co. KG, Espelkamp
Nach einem Brand musste die Dachkonstruktion der einzigartig gestalteten Thomaskirche in Espelkamp aufwändig saniert werden. Um die Auflagen des Denkmalschutzes und gleichzeitig alle Handwerksregeln einzuhalten, galt es kreative Detaillösungen zu erarbeiten.
Die 1960 nach den Plänen des Hamburger Architekten Gerhard Langmaack einzigartig gestaltete Thomaskirche Espelkamp im Kreis Minden-Lübbecke zeichnet sich durch seine moderne Architektur aus. Die charakteristische Form des Glockenturms ergibt sich durch die Kombination aus Satteldach mit Halbkegeln an den beiden Giebelseiten. Die steil geneigten mit Kupfer gedeckten Satteldachflächen überspannen mit einer eingeschwungenen Wölbung im fließenden Übergang den Eingangsbereich der Thomaskirche, die auf eine wechselvolle Geschichte zurückblickt: Aufgrund extremer Wetterlagen mit Starkwind hatte die Evangelische Martins-Kirchengemeinde bereits in den Jahren 1967 und 1971 insgesamt vier Sturmschäden zu beklagen, bei denen größere Teile der Kupferdeckung abgetragen wurden. Diese Schäden konnten noch mittels Reparaturmaßnahmen beseitigt werden, nicht jedoch das, was am 8. März 2018 um 11.57 Uhr passierte: Bei Schweißarbeiten an der Zwischendecke des im Bau befindlichen neuen Gemeindezentrums entstand ein Brand, der auf den Glockenturm überschlug und die Stahlkonstruktion einschließlich Glockenstuhl aufgrund der langen Hitzeeinwirkung erheblichen Schaden genommen hatten. Der etwa 15 Meter hohe obere Turmbereich und die gesamte Kupferdeckung musste vollständig neu errichtet werden.
Komplexe Teamarbeit
Nachdem die Sanierungskonzepte erstellt waren, konnte der Turm im September 2018 vollständig eingerüstet werden. Aufgrund der komplexen Geometrie des Kirchenbauwerks ergab sich eine sehr aufwändige Gerüststellung. Das beauftragte Gerüstbauunternehmen verbaute hierzu außergewöhnliche Mengen Gerüstmaterials. Um dem Diebstahl vorzubeugen, ließ die Gemeinde unmittelbar nach der Freigabe des Gerüstes die vorhandene Kupferdeckung entfernen. Anschließend konnte auch die vom Brand beschädigte Holz- und Stahlkonstruktion demontiert und durch eine neue ersetzt werden.
Anfang Januar 2020 war dann Baustart für die rund 1.000 m² Neudeckung der Dachflächen aus Kupferblech. Besonderheiten für die Klempner-/Spenglerarbeiten ergaben sich zum einen durch den mehrfach gerundeten Baukörper, an den die neue Deckung handwerklich angeformt werden musste. Aufgrund der vom Bauherrn veranlassten eilig demontierten Kupferdeckung fehlten Vorlagen zur denkmalgerechten Bauausführung. Viele historische Details mussten somit rekonstruiert werden. Aufgrund von Gerüststellungen verbauter Arbeitsbereiche mussten auch die üblichen Arbeitsabläufe angepasst werden.
Denkmalgerecht detailliert
In Zusammenarbeit mit der Abteilung Denkmalpflege des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe (LWL) erfolgten die Recherchearbeiten zur Rekonstruktion der Ausführungsdetails aus den 1960er Jahren. Umfangreiches Fotomaterial, das die Martins-Kirchengemeinde breitgestellt hatte, diente hierbei als hilfreiche Arbeitsgrundlage. Bei der Entwicklung der Details galt es, die Anforderungen des Denkmalschutzes sowie die Ausführung gemäß den Fachregeln für das Klempnerhandwerk in Einklang zu bringen. Die alte, bereits mehrfach reparierte Deckung wollten wir nicht 1:1 kopieren; die neue Deckung sollte schließlich dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Unsere geltenden Fachregeln berücksichtigen die heutigen Klimabedingungen mit ihren vermehrt auftretenden Starkwindböen. Bei der Ausarbeitung der Ausführungsdetails möchte ich die Kompromissbereitschaft von Frau Dr. Barbara Pankoke vom LWL hervorheben. Hierzu zählte beispielsweise die Querfalzanordnung der Tafeldeckung. Anstelle der damals üblichen Tafeldeckung im Halbversatz sind die Querfalze mit einem Versatz von 250 mm angeordnet. Dies ermöglicht eine schadlose Aufnahme der thermisch bedingten Längenänderung und vermeidet Rissbildungen, wie sie bei alten Deckungen häufig festgestellt werden. Das Regeldeckmaß der Tafeln beträgt wie zuvor 520 x 1.000 mm. Zum Einsatz kam naturbelassenes 0,7 mm dickes Kupferblech.
Aufgrund der komplizierten Dachform mussten einige Gerüstelemente auf der eingeschwungenen Wölbung über dem Eingangsbereich abgefangen werden. Somit konnte die Eindeckung der Fläche erst nachträglich erfolgen. Die Tafeln der steilgeneigten Turmdeckung wurden im Anschlussbereich so vorbereitet, das am überdeckenden Querfalz, ein späteres Unterschieben und fachgerechtes Verbinden der Flächen möglich war.
Was einfach aussieht, ist in der Klempnertechnik oft nur mit großem, handwerklichen Geschick und Aufwand zu bewerkstelligen. Hierzu zählten beispielsweise die Einfassungen der sechs großen und sechs kleinen Schalluken im Bereich des Geläutes, die regensicher in die Deckung eingebunden werden mussten. Der unvermeidbar durch die Lamellen treibende Schlagregen wird über eine Abdichtung im Turminneren, mittels nach außen geführte Speier frei auf das rückseitige Kirchenschiff abgeleitet. Die großen Schalluken bestehen aus je einem Holzrahmen mit 50 Lamellen aus wetterfestem Eichenholz. Der Zimmerer lieferte uns hierfür insgesamt 300 Lamellen, die wir in Werkstattarbeitet rund um eingefasst haben. Anschließend wurden sie wieder abholt und vor Ort eingebaut.
Rundungen formen
Bei dem eingeschwungenen Dach über den Eingangsbereich ändert sich der Radius wie bei einem Korbboden. Um die Formarbeiten etwas zu vereinfachen, haben wir die fertig profilierten Schare deshalb zunächst nach Schablone in drei Radien mit der Rundbogenmaschine leicht vorgerundet. Für die exakte Anpassung vor Ort kam ein Eckold Kraftformer zum Einsatz. Mit den entsprechenden Zusatzwerkzeugen haben wir die Stehfalze gestreckt oder gestaucht und somit in die gewünschte Rundung gebracht. Für die Regendichtheit der flach geneigten Bereiche über den Eingang mussten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Die Querfalze sind mit breiter Überdeckung und Zusatzfalzen ausgeführt, in der Längsfalze wurden Dichtbänder eingelegt. In Abstimmung mit dem Denkmalschutz haben die halbkegelförmigen Giebel wieder ihre rund 30 cm breiten, gerade durchlaufenden Ortgangprofile sowie ihre parallele Tafeldeckung erhalten. Ansonsten hätten wir die Flächen sicherlich mit konisch zugeschnittenen Tafeln ausgeführt.
Das Projekt war eine interessante Herausforderung und eine echte Teamleistung unserer beiden Unternehmen – alles lief Hand in Hand. Besonders unsere jungen Mitarbeiter konnten hierbei wertvolle Erfahrungen sammeln. Etwas Stolz ist bei diesem exponierten Objekt sicherlich auch dabei und viele Jahrzehnte noch sichtbar.
Klempner und Dachdeckermeister Björn Dobener und Daniel Wiens
Bautafel
Projekt: Dachsanierung der Thomaskirche, Espelkamp
Bauherr: Evangelische Martins-Kirchengemeinde Espelkamp
Klempner-Fachbetriebe: M. Pech Bedachungen, Soest
Inh. Klempner- und Dachdeckermeister Björn Dobener
(www.pech-dach.de)
Wiens Dach- & Holzbau GmbH & Co. KG, Espelkamp; Klempner- und Dachdeckermeister Daniel Wiens (www.dachdeckerei-wiens.de)
Dachsystem: Tafeldeckung; Regeldeckmaß 520 x 1000 mm (ca. 2300 Tafeln)
Deckungswerkstoff: Kupfer naturbelassen; Blechdicke 0,7 mm
Deckunterlage: Holzschalung 30 mm mit Behelfsdeckung Bauder Difutex NSK