- Fertigstellung: 01.01.2018
- Kategorie: Metall
- Unternehmen: Bennert GmbH
Turm und Schiff der Effelder Kirche St. Alban mit Kupfer gedeckt
Die Kirche St. Alban in Effelder ist ein Gotteshaus mit einer Intensität der Nutzung, wie man sie in einem Dorf von zwölfhundert Einwohnern kaum noch erwarten würde. In einer ganz gewöhnlichen Woche vom 27. August bis zum 2. September 2018 fand an sechs Tagen jeweils eine Heilige Messe statt, außerdem wurde noch zu acht anderen Veranstaltungen eingeladen. Die Kirche liegt im Eichsfeld, einer Region in Deutschland, deren Bild in besonderer Weise durch Kirchen, Kapellen, Wegkreuze und Wallfahrtsorte geprägt wird. Und hier weisen auch die Gottesdienstordnungen an Werktagen eine solche Fülle angekündigter Gottesdienste auf – wohl kein anderes Gebiet in Deutschland ist so katholisch ist wie das Eichsfeld.
Das ist zweifellos eine Folge der besonderen Geschichte des Eichsfeldes, das sich seit dreihundert Jahren als geschlossene katholische Enklave inmitten eines protestantischen Gebietes behaupten musste. In der Reformationszeit war es den ortsansässigen Adligen gelungen, fast alle Pfarrstellen des Eichsfeldes an lutherische Geistliche zu vergeben. Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 setzte eine Gegenreformation ein. Es gelang dem Landesherrn des Eichsfeldes, dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz, mit Hilfe der Jesuiten erneut katholische Geistliche einzusetzen. Protestantische Gottesdienste wurden verboten und die lutherischen Pfarrer nach und nach des Landes verwiesen. Die lutherischen Landesherren in Deutschland betrieben ebenfalls eine konfessionelle Säuberung – mit umgekehrtem Vorzeichen. Formaljuristisch waren die Herrscher alle im Recht, denn auf dem Augsburg Reichstag hatte man sich 1555 nach langwierigen Verhandlungen auf die Formel Cuius regio, eius religio (wer die Macht ausübt, bestimmt die Religion) geeinigt. Immerhin wurde gleichzeitig jedem Untertanen ein Auswanderungsrecht zugestanden, wobei für einen dazu eventuell nötigen Immobilienverkauf marktübliche Preise garantiert werden sollten. In der Folge entstand eine scharf markierte konfessionelle Grenze – und offensichtlich schon sehr bald eine starke Identifikation der jeweiligen Bevölkerung mit „ihrem Glauben“.
Von einem so erfolgreichen Umerziehungsprozess konnten die Machthaber der DDR, denen nach der Teilung Deutschlands das Obereichsfeld mit den Kreisen Heiligenstadt und Worbis zugefallen war, nur träumen. Ihnen war die katholische „Wagenburg-Mentalität“ der Eichsfelder ein Dorn im Auge. Hier wurden Predigten gegen die Jugendweihe und das sozialistische Bildungswesen gehalten, und wer seine Kinder zur Jugendweihe schickte, zog sich die Verachtung der Mitbürger zu. Während sich für die staatlich verordneten Aufmärsche kaum Teilnehmer mobilisieren ließen, trafen sich Tausende zu kirchlichen Wallfahrten. Die SED beschloss, durch Industrialisierung und Zuzug von Menschen aus anderen Teilen der DDR das Eichsfeld zu „proletarisieren“. Nach einer Vorbereitung durch den V. Parteitag der SED verabschiedete im Mai 1959 die SED-Bezirksleitung Erfurt den Plan der industriellen und kulturellen Entwicklung des Eichsfeldes, den „Eichsfeldplan“. Ein Teil dieses Planes war die Umgestaltung des Dorfes Leinefelde zur „sozialistischen Musterstadt“. Durch den Bau des VEB Baumwollspinnerei und Zwirnerei Leinefelde mit zugehörigen Plattenwohnungen explodierte die Einwohnerzahl des Ortes von 2.500 auf mehr als 15.000. Parallel dazu entstand in Deuna eines der größten Zementwerke Europas. Die „sozialistischen Produktionsverhältnisse“ wie Schichtarbeit sollten auch die Bereitschaft zur regelmäßigen Teilnahme am Gottesdienst mindern. Doch all diese Maßnahmen erfüllten den beabsichtigten Zweck nicht, das Eichsfeld blieb regimekritisch, widerspenstig – und katholisch.
In einem solchen Umfeld ist es auch nicht verwunderlich, wenn ein Tausend-Seelen-Dorf wie Effelder eine dreischiffige Hallenkirche von 42 Meter Länge und 20 Meter Breite mit Platz für 670 Besucher intensiv nutzt. Die heutige Kirche ist – wie schon ihre Vorgängerin – dem heiligen Albanus geweiht. Sie ist nicht der erste Sakralbau an dieser Stelle; 1717 war hier eine vergleichsweise kleine barocke Vorgängeranlage entstanden, die 1890 als höchstgelegene Kirche des Eichsfelds aufgrund eines Blitzschlages abbrannte. Das ausgehende 19. Jahrhundert erwies sich im Eichsfeld als eine besonders ungünstige Zeit für einen Kirchenneubau, denn in Preußen, zu dem die Region nach dem Ende des Kurfürstentums Mainz gehörte, war der säkulare Kulturkampf gegen die katholische Kirche damals noch nicht beendet. Mit staatlicher Hilfe war daher beim Neubau nicht zu rechnen. So organisierte die Dorfbevölkerung den Kirchbau fast vollständig aus eigenen Mitteln und zu großem Teil auch mit eigener Arbeitskraft. Für den zeittypischen neugotischen Kirchenbau berief die Kirchgemeinde keinen teuren Architekten, sondern den Franziskanerbruder Paschalis Gratze, der eigentlich ein Orgelbauexperte war, sich aber auch auf dem Gebiet der Architektur betätigte. Er bekam hier die Chance, eine wirklich große Kirche zu bauen, die dann zu Recht „Eichsfeld-Dom“ genannt wurde. Den mächtigen, landschaftsbeherrschenden Bau errichtete man aus örtlichem Muschelkalk und versah ihn mit einem 56 Meter hohen Glockenturm sowie einem Dachreiter. Am 4. Mai 1893 erfolgte die Grundsteinlegung, und nur neunzehn Monate später konnte am 6. November 1894 die Kirche durch den damaligen Weihbischof von Paderborn feierlich geweiht werden. Wir fragen uns, ob eine solche Bauleistung heutzutage noch möglich wäre!
Wegen der sehr exponierten Lage des Bauwerks ist seine Dachdeckung mit witterungsbeständigem gefalztem Kupferblech sehr sinnvoll. Unsere Dachdecker durften die in die Jahre gekommene Kupferdeckung an der ganzen Kirche erneuern: von Juli bis Dezember 2016 am Turm (220qm + Bekrönung) und von Januar 2017 bis zum März 2018 am Schiff mit seinem Dachreiter (1.400 qm). Dazu kamen 115m individuell angefertigte Gesimsrinnen und die Verkleidung der Lamellenfenster an der Glockenstube sowie der Gauben und Dachkästen. Eine besondere Herausforderung waren dabei – sogar für unsere abgehärteten Dachdecker – Wind und Wetter.
Den Abschluss unseres Artikels zur Neudeckung der Effelder Kirche sollen ein paar interessante Fakten zum Baustoff Kupfer bilden.
● Bei fachgerechter Verlegung und Befestigung kann die Grenznutzungsdauer einer Kupferdeckung mehr als zweihundert Jahre betragen; damit ist Kupfer ein sehr wirtschaftlicher Werkstoff.
● Kupfer lässt sich zu 100% recyceln; es ist also auch ein nachhaltiger Baustoff.
● Umweltbelastungen über die Auswaschung von Kupfer-Ionen aus Dachflächen durch das Niederschlagswasser können offenbar vernachlässigt werden.
● Die Verarbeitung von Kupfer ist bei jeder Außentemperatur möglich.
● Kupfer bildet unter atmosphärischen Einflüssen eine festhaftende, witterungsbeständige und ungiftige Schutzschicht – die Patina.
● Dabei geht der metallische Glanz langsam verloren; die Oberfläche wird zunächst braun.
● An senkrechten Flächen, wie Außenwandverkleidungen ist ein dunkles Anthrazitbraun der farbliche Endzustand.
● Auf geneigten Dachflächen verändert sich die Farbe weiter, bis das typische Patina Grün erreicht ist.
● Die Patina ist eine Oxidschicht und kein Grünspan!
● Wer den natürlichen Patinierungsprozess nicht abwarten möchte, kann sich werksseitig vorpatinierte Kupfertafeln oder Bänder liefern lassen.
(Weitere Informationen unter www.kupferinstitut.de)
Wir danken:
– für einen faszinierenden Auftrag der Kirchgemeinde Effelder mit Herrn Pfarrer Reichelmann sowie dem Bischöflichen Ordinariat, Regionalstelle Eichsfeld Frau Schimeck
– für vertrauensvolle Zusammenarbeit Herrn Franke vom Bauleitungs- und Sachverständigenbüro aus Mühlhausen und Herrn Prof. Mai als Metallrestaurator
– sowie unseren Mitarbeitern „vor Ort“
Rainer Svatosch (Vorarbeiter)
Rüdiger Föhre (Vorarbeiter)
Jens Poschmann
Uwe Barth
Heino Ludwig
Maik Hecker
Nick-Justin Schmidt (Azubi)