- Fertigstellung: 15.11.2018
- Kategorie: Holz 2019
- Unternehmen: Holzbau Birenbaum
Historischer Hintergrund zum Gebäude:
Das Gasthaus „Lamm“, ein zweigeschossiges, traufständiges Fachwerkgebäude mit repräsentativem rundbogigen Portal in der Marktstraße in Ditzingen, war ursprünglich eine Pferdewechselstation der Postlinie zwischen Stuttgart und Calw. Erstmals erwähnt wurde sie 1618. Johann Jakob Schweizer (1704 – 1764) muss nach der Hochzeit mit Anna Siglin, deren Familie das Anwesen seit 1729 gehörte, der erste Lammwirt gewesen sein.
Bis heute wurde das denkmalgeschützte Gebäude mehrfach geändert und umgebaut. Nach einer Komplettsanierung vor ca. 25 Jahren werden die Gasträume von einer italienischen und einer asiatischen Gaststätte genutzt. Im Obergeschoss und Dachgeschoss befinden sich zusätzlich mehrere Wohnungen.
Grund der Sanierungsarbeiten:
Ursprünglich sollte das Gebäude lediglich einen neuen Anstrich erhalten. Am mit eingeschnitztem und in Farbe gefassten Schriftzug exponierten Eckständer im OG, vielmehr am Rähmeck darunter wurden vom Maler Bedenken angemeldet wegen dem baulichen Zustand des Holzes. Ein fachkundiger Zimmerer wurde zur Beratung hinzugezogen. Nach begutachten dieser Stelle entstanden erhebliche Zweifel am Gesamtzustand der Fassade, sodass die gesamte Fassade eingerüstet und untersucht wurde, mit verheerendem Ergebnis. Die Hölzer, v.a. des Fassadenfachwerks Nord, war ca. 25 Jahre nach Generalsanierung aus mehreren Gründen in einem desolaten Zustand und mussten daher dringend fachmännisch repariert und restauriert werden.
Ursachen der Bauwerks- bzw. Holzschäden und Ausführungsfehler in der Sanierung:
1. Lage der sichtbaren Fachwerk-Fassade im Nordwesten ohne Raum/Möglichkeit abzutrocknen wegen sehr dichter Nachbarbebauung (ca. 3m Nische)
2. Nicht fachwerkgerechter Wandaufbau: (von innen nach aussen)
2.1. Putz/Gips, Gipskarton
2.2. PE-Folie (ohne Verklebungen und Anschlüsse)
2.3. Mineralwolle zw. CW-Profil als Wandvorsatz und Innendämmung
2.4. Eiche/Nadelholz Fachwerk mit Hohllochziegel und Zementmörtel aussenbündig ausgemauert
2.5. vorstehender Zementmörtelputz und Anschluss an Hölzer mit acrylähnlicher Substanz verfugt, größere Risse in Hölzern mit Kunstharz ausgespachtelt, Farbfassung auf Acrylbasis
3. Konstruktiver Holzschutz nicht beachtet:
3.1. Schwellen bis zur Hälfte mit Zementmörtel eingemauert
3.2. Ständer und Streben z.T. vor Rähmen überstehend, d.h. Hirnholz der Witterung ausgesetzt
3.3. Fensterbekleidungen auf Fachwerk aufgesetzt, d.h. Wasser konnte hinter Bekleidung von oben in den Wandaufbau eintreten
3.4. Fenster zum Einbau mit PU-Schaum befestigt
4. Ältere Schäden bei letzter Sanierung unfachmännisch oder gar nicht repariert:
4.1. zerstörter Eckständer mit Schrauben/Nägeln, Silikon und Bauschaum an oberes Rähm „befestigt“, zusätzlicher Ständer als statischer Ersatz (mittlerweile ebenfalls defekt)
4.2. Sparrenbeilaschung laufen nicht bis zu Sparrenfußpunkten
4.3. Nicht denkmalgerechte Ausführung von Holzverbindungen: Metallformteile (Lochbleche, Winkel), Fenstererker mit willkürlichen und unsinnigen Verzierungen, ohne Witterungsschutz der Stirnhölzer
4.4. Hölzer im DG ohne jegliche Reparatur lediglich aufgedoppelt (24-30er Bohlen)
Schwierigkeiten und Besonderheiten bei der Sanierung:
Das Gebäude liegt direkt an der Marktstraße, d.h. es besteht reger Fußgängerverkehr. Direktes Nachbargebäude ist ein Modegeschäft, in der zusätzlich Wohnungen, Zahnarztpraxis und medizinisches Labor untergebracht sind. Unter anderem befand sich ein Eingang zur Zahnarztpraxis in der kleinen Nische zwischen Modehaus und Gasthaus Lamm. Dementsprechend waren die Platzverhältnisse sehr beengt und vor allem Fußgänger, die oft völlig gedankenlos und unbelehrbar an und durch die Baustelle liefen, erschwerten die Arbeiten erheblich.
Ein noch größeres Problem war die Tatsache, dass der Betrieb beider Gastwirtschaften und sämtliche Wohnungen weitestgehend ohne Beeinträchtigung parallel zu den Restaurierungsmaßnahmen bestehen bleiben sollten, d.h. Reparaturarbeiten waren ausschließlich von aussen durchführbar, ohne in die Innenräume zu gelangen. Zusätzlich mussten Notabstützungen und Regensicherheit den erhöhten Anforderungen entsprechen.
Am grundsätzlichen Wandaufbau konnte daher leider nichts geändert werden. Die Schwerpunkte lagen daher auf der Optimierung des Aufbaus im konstruktiven Holzschutz und der denkmalgerechten Ausführung von Reparaturarbeiten.
Ausführung und Optimierung im Holzbau:
Zunächst wurden Notabstützungen angebracht in Form von quer verlaufenden Kanthölzern, die möglichst hoch an der Fachwerkwand kraftschlüssig verschraubt wurden. An diese Hölzer schlossen auf den Boden steil abgestrebte Kanthölzer mit einer Klaue an. Durch Andreaskreuze und Laschen zum Fachwerk wurde die Lagesicherung der Abstützung gewährt. Danach sind Ausfachungen entfernt worden. Der innere Wandaufbau, also GKB und Innenputz blieben unbeschadet erhalten.
Die Fachwerksanierung erfolgte von unten nach oben in kleineren Teilabschnitten, d.h. beispielsweise die vollständig zerstörte Grundschwelle wurde in mehreren Abschnitten erneuert, um die Standsicherheit zu keiner Zeit zu gefährden.
Bei sämtlichen Reparaturverbindungen wählte man möglichst gängige zimmermannsmäßige Verbindungen wie Zapfen bei Riegelanschlüssen, Hakenblätter mit und ohne Schloss bei Schwellen und Rähmverbindungen, stehende Blätter mit schrägem Anschnitt bei Anschuhungen der Ständer und Streben, Verdollungen bei Anschlüssen der Schwellen an Ständer, Fußbänder und Streben nach exakter Positionierung der Hölzer. Aufbohlungen und Vierungen wurden entweder nicht sichtbar verschraubt oder ebenfalls verdollt bzw. durch Stabdübel fixiert. Die Verbindung des Grundschwellenecks wurde originalgetreu als verdecktes Schwalbenschwanzeckblatt ausgeführt, weitere Eckverbindungen im OG und DG als französisches Druckblatt.
Um konstruktiv den Holzschutz zu verbessern, wurde besonders darauf geachtet, dass keine Hirnholzflächen von Ständern und Streben über die Rähme herausragen, sondern eher etwas dahinter oder bündig stehen. Das Dachgeschoss wurde dagegen vollständig mit einer Dielen-Leisten-Schalung verkleidet. Als Abschluss bzw. Übergang zum darunterliegenden Sichtfachwerk fertigte man eine Art Gesims oder Vordach mit zwei Reihen Biberschwanzziegeln. Damit wurde sichergestellt, dass auf die Fassade treffender Niederschlag von der offenliegenden Konstruktion weggeleitet wird. Eine Ähnliche Vorkehrung wurde am Übergang von OG auf EG angewandt. Hier wurden die zerstöre Schwelle und Rähm erneuert. Um deren Aus- und Einbau möglichst einfach zu realisieren schnitt man sämtliche oben anschließende Bauteile (Ständern, Streben) ca. 2 cm zurück. Die Idee war, nachträglich eine 5 cm starke nach aussen abgeschrägte Eichenbohle als Tropfbrett einzufügen, die genau wie das Dächlein unter dem DG, Nässe von der Fassade wegführen sollte. Ein positiver Nebeneffekt war, dass die oft nur am Fuß geschädigten Säulen und Streben durch den nötigen Rückschnitt ausreichen gesund geschnitten werden konnten. Um diese Bauteile wieder an die Schwelle anzuschließen benötigte man nun keine Anschuhungen, sondern eine etwas höhere neue Schwelle und die Eichenbohle, welche passgenau eingefügt werden konnte.
Über sämtlichen Fenstern und auch an der Grundschwelle schlitze man eine Nut ein, um ein Tropfblech anbringen zu können. Durch das einstecken des Blechs in den Schlitz ist sichergestellt, dass kein Wasser hinter dem Blech in die Holzkonstruktion gelangen kann.
Hölzer, die nur oberflächlich geschädigt waren, wie z.B. der eichene Eckständer im EG, wurden lediglich gebürstet. Da der Eckständer im EG aus Eiche war, ersetzte man den völlig zerstörten Eckständer mit Inschrift im OG ebenfalls in Eiche. Die Inschrift wurde händisch in situ übertragen und mit Schnitzeisen handwerklich wieder eingestemmt. Zusätzlich schnitzte man auf der anderen Seite des Eckständers die Jahreszahl der Sanierung mit Initialien des Bauherren und der hauptsächlich ausführenden Zimmerleute inkl. Zunftzeichen.
Eine weitere Maßnahme war die Abänderung des Fenstererkers. Die vortretenden senkrechten Hölzer bekamen einen Eierstab als Schnitzerei, weil diese Verzierung an anderen Fachwerkhäusern in selber Straße zu finden ist. Der vorkragende Brüstungsriegel wurde ebenfalls mit einer Schnitzerei verziert, nämlich mit selbiger wie die an den Gesimsen der Traufwand. Auch diese Schnitzereien wurden händisch ausgearbeitet.
Im Spitzgiebel verzichtete man auf umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen, da man in diesem Bereich das Fachwerk nicht sichtbar lassen wollte. Im Vordergrund lag daher die statische Ertüchtigung bzw. Gewährleistung der Tragfähigkeit der Holzkonstruktion. Aus diesem Grund brachte man 6cm starke Kantholzer auf die Bestehende Fachwerkkonstruktion auf und verschraubte diese ausreichend. Lediglich grobe Fehlstellen der Fachwerkhölzer wurden durch Vierungen ausgebessert. Die aufgeschraubten Holzer übernehmen nun die tragende Funktion und dienen gleichzeitig als Unterkonstruktion für die darüber liegende Fassadenschalung. Beim Anschluss der Fassadenschalung an das Hängebrett des Ortgangs ließ man eine ca. 1,5 cm breite Schattenfuge. Dadurch kann Luft von unten hinter der Schalung einströmen und oben wieder heraustreten. Feuchte, die durch Niederschlag doch möglicherweise hinter die Schalung geraten sollte, kann somit wieder aus der Konstruktion entweichen.
Fazit:
Durch begeisterte Zimmerleute und fähige Maurer und Maler, zudem ein Bauherr, der ein Herz für sein denkmalgeschütztes Gebäude bewies und mit großer Leidenschaft und Unterstützung aktiv an der Sanierung beteiligt war, konnte ein sehr schönes Gebäude wieder zu altem Glanz gebracht werden und das Bauvorhaben zur Zufriedenheit des Bauherren, der Bauleute, aber auch des Denkmalamtes erfolgreich durchgeführt und beendet werden. Bleibt zu hoffen, dass das Gebäude nun viele Jahre lang ohne Schäden erhalten bleibt.