- Fertigstellung: 01.11.2019
- Kategorie: Holz
- Unternehmen: Holzbau Künstle
Die Geschichte des traditionsreichen Gebäudes reicht mehr als 560 Jahre zurück. An diesem Platz neben der Aach wurde bereits 1450 ein Gemeinde- und Rathaus erstellt. Nach einem Brand wurde im Jahr 1667 an gleicher Stelle wieder ein Gebäude erbaut. Diese muss wohl um 1790 und 1823 neu bzw. umgebaut worden sein.
Seit über 350 Jahren prägt das Haus die Bohlinger Ortsmitte. Bis zum Jahr 1971 war es ein unauffälliger verputzter Bau. Im Rahmen einer kostspieligen Instandsetzung wurde dann das Fachwerk freigelegt. Dieser schöne Fachwerkbau zieht bis heute die Blicke aller Vorbeikommenden an. Zusammen mit der Nepomukstatue des ausgehenden 18. Jahrhunderts auf der Aachbrücke ist es der dorfbildprägende Mittelpunkt der Gemeinde. Als Gasthaus Sternen mit gutbürgerlicher Küche und Versammlungsraum für Vereine und Familienfeiern war es jahrzehntelang ein regional bekanntes Aushängeschild des Dorfes.
In den letzten Jahren drohte dies immer mehr zu verfallen. Ende 2016 hat das gesamte Areal den Eigentümer gewechselt, das Haus wurde im Anschluss aufwendig entkernt und hochwertig saniert. Zusammen mit dem nebenan entstandenen Neubau wird es seit 2019 als Aparthotel geführt.
Unter dem Motto „Moderne trifft Tradition“ wurde ein Neubau mit 10 Appartements in Hybridbauweise erstellt. Im Neubau sind die tragenden Innenwände und Decken aus Stahlbeton. Die Außenwände wurden in Holz-Rahmenbauweise erstellt. Mit der Fassadenschalung aus senkrechten Kanthölzern wurde eine Optik geschaffen, welche Alt und Neu sowohl trennt als auch verbindet. Im Eingangsbereich wurde eine Pfosten-Riegel Konstruktion aus Baubuche gewählt. Dieser Baustoff hat tragende, optische und feuerhemmende Funktionen.
Beschreibung Historischer Gasthof:
Da sich im OG früher ein Veranstaltungssaal befand, wurden hier Stützen und tragende Wände zu einem früheren Zeitpunkt entfernt. Die Lasten der darüberliegenden Decken und Geschoße wurden deshalb nachträglich mit zwei Zugstreben an die bestehenden Bundbalken hochgehängt. Dies hat zu einer Überbelastung, Lastverlagerung und Setzungen geführt. Aufgrund dessen waren die Bundstreben überlastet. Die von der Außenwand rückversetzte Längswand im zweiten OG (Mansardseite) hat Lasten in das Gebälk eingeleitet, was ursprünglich nicht der Fall war. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass es Setzungen und Verformungen im EG gab.
Die gesamte Konstruktion mit samt den Decken wurden vom EG über Hebegeräte angehoben. Es wurde eine sinnvolle Anhubhöhe von 3-14 cm gewählt. Nach Vorgabe des Tragwerkplaners wurden hier Unterzüge und Stützen aus Stahl eingebaut. Im EG wurden die vorhandenen historischen Guss-Stützen wieder eingebaut. Die vorhandenen Querschnitte der alten Deckenbalken waren größtenteils ausreichend für die Belastung. In den Obergeschossen wurden zusätzlich wieder tragende Fachwerkwände und Stützen eingebaut.
Die zerstörten Deckenbalken über alle Geschoße hinweg wurden im selben Querschnitt wie vorhanden ersetzt. Die Decke über EG ist eine sichtbare Balkendecke. Hier sind alle Verbindungen und Ergänzungen sichtbar ausgeführt. Die sichtbaren Einschubbretter wurden hier wie im Bestand ergänzt. Die profilierten Stoßleisten wurden auch restauriert und ergänzt. An den Innenwänden wurde das Fachwerk freigelegt und sichtbar belassen. Dies gibt den Appartements ein ganz besonderes Ambiente.
Außen wurden die gesamten Fachwerkwände überarbeitet. Alle Verbindungen und Ersatzhölzer wurden wie im Originalzustand wiederhergestellt. Die Gefache wurden durch Weichholzkeile verspannt und vom Stuckateur überarbeitet.
Die Dachfläche wurde mit den vorhandenen Biberschwanzziegeln überarbeitet, First und Grat mit Kalkmörtel neu eingebunden.
Durch die hervorragende Zusammenarbeit, auch schon im Anfangsstadium, von Auftraggeber, Planer, Ingenieur und den ausführenden Firmen wurde ein außergewöhnliches Ergebnis erzielt. Dies spiegelt sich in folgenden Punkten wider:
• Von der alten Substanz blieb so viel wie nur möglich erhalten
• Die neuen Bauteile wurden durch möglichst wenig Substanzverlust eingepasst
• Die neuen Baustoffe sind größtenteils ökologisch und nachhaltig
• Die Kombination von alten und neuen Techniken wurden sinnvoll eingesetzt
• Der Spagat zwischen energetischer und substanzieller Sanierung ist gelungen
• Ein modernes Nutzerverhalten schließt sich in einem denkmalgeschützten und alten Gebäude nicht aus
• Die Anforderung an Optik, Statik und Bauphysik wurden gekonnt zusammengeführt
• Dem Nutzer wird dies an vielen Stellen des Gebäudes präsentiert