- Fertigstellung: 13.12.2019
- Kategorie: Holz
- Unternehmen: Heyd GmbH Zimmerei-Holzbau
Rein äußerlich beeindruckt die Alte Kelter durch seine trutzigen, wehrhaften aus Sandstein hochgeführten, talseitig ca. 5,30 m hohen Wände. Betritt der Besucher jedoch das heutige Weinbaumuseum, ist er überrascht von dem Format und der Größenordnung des offenen Dachraumes. Ungefähr 30 m lang und etwa 15 m breit, bei einer Raumhöhe bis zur unteren Balkenlage von 4,80 m überspannt das sichtbar gebliebene Sprengwerk eine Grundfläche von 450 m² ohne jegliche Abstützung. Der offene Dachraum mit seinem gewaltigen Gebälk weist eine weitere Höhe von 9,45 m bei einer Dachneigung von 50 Grad auf. Insgesamt beträgt die Firsthöhe damit 14,25 m.
1574 wurde die Kelter vom Deutschen Orden erbaut, welcher in der damaligen Zeit das handwerkliche Können und die hohe Baukultur mitbrachte. Im Winter 1572, so wird vermutet, wurde das Nadelholz im Schwarzwald geschlagen und auf der Enz und dem Neckar geflößt. Die Konstruktion war und ist eine reine Zimmermannskonstruktion – ohne Statiker und Prüfstatiker. Für das 16. Jahrhundert stellt das eine gewaltige Überspannung eines Raumes dar. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass die besondere Konstruktionsart, nämlich das Prinzip des doppelten Hängewerkes, welche die freie Überspannung des Raumes möglich macht, so früh Anwendung fand. Denn dieses Konstruktionsprinzip lässt sich bei mehreren anderen Bauten erst im 17. oder 18. Jahrhundert nachweisen.
Hinzukommt, dass der mit drei Kehlbalkenlagen versehene Dachstuhl einzigartig für dieses Zeitalter ist. Zwei doppelte Hängesäulen der Hängewerke werden durch Streben und Büge in den Bundsparren hochgesprengt und die Dachlast über liegende Stühle auf die Dachbalken und die stabilen Außenwände abgetragen. Die Rahmen greifen in den Fachwerkgiebel durch. Dort ist auch die Dachbinderkonstruktion ablesbar.
Trotz der Tatsache, dass zusätzliche Aussteifungen vorgenommen werden mussten, handelt es sich hier um ein Keltergebäude mit einer für die damalige Zeit ausgeklügelte Zimmermannskunst.
Bei der Restauration des Sprengwerkes wurde daher mit viel Feingefühl die Prämisse verfolgt: Altes zu bewahren und detailgetreu wiederaufzubauen. Außerdem wurden die neuen Balken wie früher üblich mit Blattverbindungen angeschuht. Dies verdeutlicht die Ausführungsqualität, mit welcher bei diesem Bauvorhaben vorgegangen wurde. Auch nach der aufwendigen Sanierung sollte das Sprengwerk mit seinen beeindruckenden Dimensionen sichtbar bleiben, weshalb die Kelter wieder als Kaltdach eingedeckt wurde. Des Weiteren wurde eine innovative Lichtinstallation realisiert, um das Sprengwerk zukünftig optimal in Szene setzen zu können. Innerhalb eines Jahres wurde die wuchtige Dachkonstruktion von unseren Restauratoren und Zimmermännern erneuert. Marode Balken wurden behutsam herausgesägt und neue eingesetzt. Um dem historischen Charakter des Bauwerkes treu zu bleiben, wurden zum Teil nur Bruchstücke von Balken entfernt und erneuert. Auf den Gesichtspunkt Wirtschaftlich- und Nachhaltigkeit wurde von Seiten der Bauherrschaft von Anfang an Wert gelegt, weshalb vorzugsweise lokal ansässige Firmen die Arbeiten an der Alten Kelter ausführten. Die Restauration wurde in regelmäßigen Absprachen mit dem Landesdenkmalamt durchgeführt. Die Schadensermittlung, statische Berechnung und Bauleitung erfolgte durch das Ingenieurbüro Grau.Wurst.Wisotzki.GbR aus Bietigheim.
Auch in Zukunft soll die Alte Kelter ein Ort des Zusammenkommens im Herzen der Weinbaugemeinde Erlenbach-Binswangen sein. Wie früher soll auch weiterhin der ehemalige Kelterraum als Weinbaumuseum dienen. Darüber hinaus werden die Führungen durch das Museum weiter ausgebaut. Außerdem sollen Kleinkunstausstellungen, Weinproben als auch Aufführungen von Kabaretten unter dem Ambiente des restaurierten und in Szene gesetzten Sprengwerkes möglich sein.