- Fertigstellung: 08.12.2017
- Kategorie: Steildach 2018
- Unternehmen: Dachdeckermeister Willy A. Löw AG
Wilhelminische Pracht in neuem Glanz:
Die Dachsanierung des historischen Kaiserlichen Postamts (1893) in Bad Homburg
In der Nacht vom 8. März 1945 verlor das 1892 erbaute Gebäude, das klassischen Palastfassaden im Stil von Renaissance und Barock nachempfunden wurde, durch eine Brandbombe sein Walmdach samt Belvedere mit Uhrtürmchen. Glücklicherweise konnte man die völlige Zerstörung des Repräsentativbaus und seiner prachtvollen Sandsteinfassade verhindern. Aus der anspruchsvollen Konstruktion wurde für viele Jahrzehnte ein gewöhnliches Satteldach.
Im Jahr 2016 kam der Eigentümer auf uns zu und äußerte den Wunsch, dem Gebäude seinen alten Glanz wiedergeben zu wollen.
Es ging um die originalgetreue Rekonstruktion des seinerzeit von Regierungsbaumeister Max Ludewig entworfenen wilhelminischen Schmuckstücks auf der renommierten kurstädtischen Louisenstraße.
Für uns, die Dachdeckermeister Willy A. Löw AG, war dieses Projekt eine fachliche Herausforderung, die uns sofort begeisterte. Selbstverständlich wollten wir der Bauherrin bei diesem einmaligen Objekt mit unserer langjährigen Expertise bei der Sanierung historischer Dächer zur Verfügung stehen.
Gemeinsam mit dem Team des Architekturbüro HSP nahmen wir die Sanierungsplanung des Kulturdenkmals in Angriff. Nach der Bestandsaufnahme über den Gebäudezustand wurden alte Bauzeichnungen, Statikberechnungen und historische Aufnahmen aus dem Stadtarchiv zu Rate gezogen. Denn die bevorstehende Sanierung des aus Flach- und Steildachelementen bestehenden Originaldachs und die Rekonstruktion des Uhrtürmchens samt Belvedere, waren eine kniffelige Aufgabe.
Aus aufwändigen Planungsarbeiten erwuchs schließlich eine spektakuläre Baustelle, einschließlich Rohbau-, Stahlbau-, Sandstein-, Klempner-, Dachdeckungs- und Abdichtungsarbeiten.
Damit die Arbeiten am eigentlichen Dach im Trockenen erledigt werden konnten, wurde ein Gerüst mit einem Notdach über die gesamte Gebäudebreite errichtet.
Das vorhandene, flachgeneigte Satteldach bauten wir einschließlich Gebälk und Ziegel komplett zurück. Die obere Etage wurde mit einem Ringanker aufgestockt. Auf diesem und der folgenden Stahlkonstruktion sollte später das neue Dach ruhen. Da der Innenraum stützenfrei ausgeführt werden sollte, musste der Stahlrahmen so ausgebildet werden, dass alle Lasten aus dem oberen Dachabschluss und dem Belvedere, in die Außenwände geleitet werden konnten. Der neue Dachstuhl wurde als Walm- und Satteldach mittels einer Holzkonstruktion in den Stahlrahmen integriert.
Am oberen Abschluss des Walmdaches wurde das ursprüngliche Sandsteinbelvedere wiedererrichtet. Die historische Sandsteinbalustrade musste auf Grund des enormen Gewichts der Geländer von ca. 18 to, vor dem Aufbringen der Dachschalung und der Schieferdeckung montiert werden, um Setzungsschäden zu vermeiden.
Das ebenfalls aus Sandstein gefertigte Uhrtürmchen, mit seiner weithin sichtbaren Uhr originalgetreu zu rekonstruieren, stellte uns nochmals vor eine besondere Herausforderung. Im Gegensatz zum historischen Vorbild sollte die Uhr nicht mit einer satinierten Rückwand versehen werden, sondern sowohl von innen, als auch von außen abzulesen sein.
Um den neu entstandenen Raum ausreichend mit Licht zu versorgen, montierten wir auf der Rückseite der Walmfläche eine Fensterkombination aus 15 Fenstern. Mit den eingebauten schrägen Dachfenstern und dem Lichtband hinter der Balustrade des Belvederes flutet nun genügend Licht in die Büros der neu entstandenen Etage des Gebäudes. Das Lichtband auf dem Belvedere besteht aus 12 elektrisch betriebenen Dachfenstern. Diese wurden auf einer eigens dafür erstellten Holzkonstruktion montiert.
Auf den historischen Bildern war zu erkennen, dass die Dachfläche der Straßenseite mit zwei Oculus-Gauben verziert waren. Diese konnten wir auf Grund des vorliegenden Bildmaterials originalgetreu wiederherstellen. Der Detailverliebtheit des Bauherrn geschuldet sollten diese nicht „blind“ bleiben, sondern zusätzlich mit Fenstern ausgestattet werden. Dazu entwickelten wir gemeinsam mit dem Fensterbauer die notwendigen Anschlussdetails und setzten zwei ovale Fenster ein.
Die Turmspitzen rekonstruierten wir gemäß dem vorliegenden Bildmaterial und montierten sie auf dem Sandstein des Belvederes. Die zentrale Spitze des Gebäudes ist 6 m hoch. Die flankierenden vier Spitzen sind knapp 4 m hoch.
Gemäß historischem Vorbild deckten wir die Grate des Walmdachs nicht mit Schiefer, sondern versahen sie mit einer runden Zinkabdeckung. Sie umrahmen die Dachfläche und wirken als optische Begrenzung.
Im Anschluss erstellten wir am Walmdach unterhalb des Belvederes die originalgetreue Dachdeckung als Coquette-Deckung. Anhand von Bildern und Postkarten aus den 20er Jahren war erkennbar, dass der mittlere Teil des Gebäudes mit dieser dekorativen Deckung verziert war. Diese ist im Rahmen der Rekonstruktion als Doppeldeckung ausgeführt worden.
Die Satteldächer der Seitenteile sind mit einer altdeutschen Schieferdeckung mit scharfem Hieb eigedeckt worden.
Die Flachdachabdichtung des Belvederes stellten wir mit einer 3-lagigen, bituminösen Dachabdichtung her. Der Dämmstoffaufbau besteht aus einem 30 cm starken Foamglas-Gefälledach und ist komplett mit Heißbitumen abgedichtet.
Auf Grund der vielen Metallanschlüsse unterhalb der Flachdachabdichtung wurde entschieden, dass die Klempnerarbeiten der Kehlen und Anschlüsse aus Edelstahl ausgeführt werden sollten. Die aufgehenden Anschlüsse sind gemäß den Forderungen des Denkmalamtes mit vorbewitterten Titanzinkblechen kaschiert worden.
Die 5-teiligen Dachrinnen samt Nackenblechen sind aus Titanzink, vorbewittert, blaugrau, auf den Gesimsen montiert worden.
Wir, von der Löw AG, arbeiten seit vielen Jahrzehnten an Sanierungsprojekten. Immer wieder durften wir zum Erhalt bzw. zur „Wiederbelebung“ von wertvollen historischen Gebäuden beitragen. Die Dachsanierung der „Alten Post“ in Bad Homburg ist für uns jedoch das i-Tüpfelchen: Es erfüllt uns mit besonderem Stolz, an diesem orts- und kulturgeschichtlichen Projekt unserer Heimatstadt mitgearbeitet zu haben.