- Fertigstellung: 01.11.2018
- Kategorie: Bauwerkserhaltung 2019
- Unternehmen: Bennert GmbH
Kulturkirche Neuruppin: Wie geht man mit dramatischen Trockenrissen in einem Innenraum um?
90 hölzerne Säulen tragen die breiten in zwei Etagen angeordneten Emporen der entwidmeten und heute zu kulturellen Zwecken genutzten Stadtpfarrkirche St. Marien in Neuruppin. So beeindruckend wie ihre Zahl sind auch die Rissbilder, die sie aufweisen; wir haben in den letzten drei Jahren an ihrer Sanierung gearbeitet. Wie entstehen solche Risse?
Allgemein lautet die Antwort: Sie entstehen durch Verdunstung des im Holz enthaltenen Wassers. Solche Trockenrisse verlaufen immer in radialer Richtung. Man kann ihre Stärke durch die Art des Einschnitts beeinflussen, wie Bild 3 zeigt.
Für die Bildung radialer Trockenrisse ist eine Mindeststärke von etwa 5 Zentimetern erforderlich – Fachwerk, das keine Risse aufweist, ist tatsächlich nur eine Imitation aus dünneren Brettern. In Hölzern, die keiner weiteren Befeuchtung ausgesetzt sind, stellt sich mit der Zeit eine bestimmte, von der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit abhängige sogenannte Ausgleichsfeuchte ein. Die entstandenen Risse verändern sich praktisch nicht mehr; welche Nachteile haften ihnen dann noch an? Sie sind nicht nur eine ästhetischer Mangel. Wenn die Hölzer im Außenraum verbaut und nicht vor Niederschlagswasser geschützt sind, stellen die Risse eine Eintrittspforte für pflanzliche und tierische Holzschädlinge dar, die im Inneren der gerissenen Hölzer auch genug Feuchtigkeit für die Ausübung ihrer zerstörerischen Tätigkeit vorfinden. Ob Risse die Tragfähigkeit eines Bauteils beeinträchtigen, hängt von deren Lage und Größe sowie von der Beanspruchung des Bauteils ab und ist damit im Einzelfall zu prüfen.
In der Kulturkirche von Neuruppin waren die Rissbilder eine ästhetische Einbuße. Um die homogene Lastableitung weiterhin zu garantieren, war eine nicht nur vollständig formschlüssige, sondern auch eine kraftschlüssige Verfüllung der entstandenen Hohlräume erforderlich – der Füllstoff musste an den Rissflanken sehr gut kleben. Dazu eignete sich der gemeinsam von der Firma Bennert und dem Lehrstuhl für Holz- und Mauerwerksbau der Bauhaus Universität Weimar (Prof. Dr.-Ing. K. Rau- tenstrauch) entwickelte Polymerverguss Compono sehr gut. Er besteht aus einem kalthärtenden Epoxidharz mit einem gereinigten Quarzkorngemisch als Zuschlag und wurde eigentlich zur Erhöhung der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit von Biegeträgern aus Holz entwickelt. Dieser Polymerverguß ist fließfähig genug, dass er drucklos in die Risse der Neuruppiner Emporenstützen eingebracht werden konnte, mit deren Flanken er eine dauerhafte Klebeverbindung einging. Ein weiterer entscheidender Vorteil des Materials für die Sanierung der Säulen ist, dass es auch in größeren Materialdicken verbaut werden kann. Ein Umstand, der auch die direkte Verfüllung der teilweise erheblichen Rissbreiten ermöglichte.
Die Pfarrkirche St. Marien in Neuruppin bilden wurde 1801 bis 1806 in klassizistischem Stil durch den Preußischen Geheimen Oberbaurat Philipp Bernhard François Berson (1754 – 1835) erbaut, der aus einer Hugenottenfamilie stammte. Ihr 1787 abgebrannter spätgotischer Vorgängerbau war eine hochkomplexe, höchstwahrscheinlich fünfschiffige Halle.
1970 wurde die Pfarrkirche baupolizeilich gesperrt. Nach der Wende begann 1991 eine umfassende Rekonstruktion der Kirche, die im Wesentlichen 2002 abgeschlossen war. Heute ist die ehemalige Pfarrkirche das repräsentative Veranstaltungszentrum der Fontanestadt. Hier finden nun Konzerte, Kongresse, Tagungen, Ausstellungen, Firmenpräsentationen und Bankette statt.
Wir danken der kompetenten Begleitung unserer Bauaufgabe durch die zuständigen Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung der Fontanestadt Neuruppin.
Die vielen Risse haben ihre Schließung unseren Mitarbeitern zu verdanken.
Bilder 1 und 2: So breit und so tief sind viele Risse in der Stadtpfarrkirche zu Neuruppin (Bildquelle: Firma Bennert)
Bild 4 und 5: Unsere Mitarbeiter beim Verfüllen der Risse mit unserem Spezialharz Compono®.