- Fertigstellung: 15.10.2019
- Kategorie: Metall
- Unternehmen: Flaschnerei Wolfgang Huber
Die Eindeckung des Treppenturms mit Kupferblechen aus Zweitverwertung
Das historische Rathaus der Stadt Rothenburg ob der Tauber mit seiner Renaissance-Fassade prägt das Erscheinungsbild des Marktplatzes.
Das Alte Rathaus mit dem Rathausturm entstand in der Zeit zwischen 1240 – 1360 im Gotischen Stil. Es fiel im Jahre 1501 einem Brand zum Opfer. Zunächst wurde nur der hintere Teil des Gebäudes mit dem Turm wiederaufgebaut. Erst in den Jahren 1572 – 1578 folgte der Bau des vorderen Teils als Neues Rathaus im Renaissance-Stil. Die zwei Gebäudeteile wurden durch einen Lichthof räumlich voneinander getrennt. Im Jahre 1681 wurde der im Barock-Stil gehaltene Arkadenbau vorgesetzt.
Bei einem Bombenangriff in den letzten Kriegswochen des 2. Weltkrieges wurde das Rathaus bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Auch das Dach des Treppenturms war völlig zerstört. Das Rathaus gehörte zu den ersten Wiederaufbauten nach dem Krieg.
Der Aufbau erfolgte etappenweise. Bereits 1947 konnte der erste Stock des Rathauses wieder bezogen werden. Allerdings war die Baustoffbeschaffung während der Währungsreform sehr schwierig, außerdem hemmte die äußerst schwierige Finanzlage ein rasches Vorwärtskommen der weiteren Bauarbeiten. Schriftliche Überlieferungen weisen darauf hin, dass Kupferbleche für die Turmeindeckung des Treppenturms durch Spenden finanziert wurden. Aus Mangel am Rohstoff Kupfer kamen neben neuen 0,7 mm starken Kupferblechen auch Bleche aus dem Altmetallhandel zum Einsatz. 1952 wurde die hölzerne Dachform des Treppenturms anhand von historischem Bildmaterial rekonstruiert und mit Kupferblech eingedeckt.
Konzept zur Wiedereindeckung
Bei der aktuellen Restaurierung des Treppenturms 2019 musste wieder eine neue Dachkonstruktion hergestellt werden, da das in den 1950er Jahren hergestellte Holztragewerk im Laufe der Zeit durch Schädlingsbefall unbrauchbar geworden war. Die Wertigkeit der Dacheindeckung aus der Nachkriegszeit, einer Zeit, in der der Werkstoff Kupfer nicht ohne Weiteres verfügbar war, wurde erkannt. Die Bleche der Eindeckung von 1952 sollten wiederverwendet werden, besonders die im schmiede- und walzverfahren hergestellten Kupferbleche aus Zweitverwertung, Bleche mit deutlich sichtbaren Falt- und Knitterspuren, Zeugnisse der Bombardierung und des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg. Das neue Holztragewerk wurde als CNC Abbund neu errichtet. Das Gebälk, sowie die 40mm starke Bretterschalung wurde aus Eichenholz gefertigt. Vor Sanierungsbeginn wurden sämtliche Bleche sorgfältig ausgebaut. Die Falze der Blecheindeckung, sowie die Einführung der Quer- in die Längsfalze, wiesen jedoch erhebliche Mängel auf, was Wassereintritt zur Folge hatte. Auf Grund der mangelhaft ausgeführten Falzverbindungen der Bestandseindeckung (einfach eingehängte Querfalze mit 15 mm Umkantungen), waren besonders Bleche in mittlerem und kleinem Format unbrauchbar geworden, da zur Ausbildung eines neuen Querfalzes 12 cm Material benötigt werden. Wo es möglich war, wurden die noch brauchbaren Bleche mit neuen Falzen ausgestattet exakt wieder an den Flächen verortet, wo sie ursprünglich eingebaut waren. Für Ergänzungen der Dacheindeckung wurden ebenfalls Bleche aus Zweitverwertung eingebaut. Hierbei handelt es sich um Kupferbleche aus dem Jahr 1911 mit einer Blechstärke von 0,8 mm, die 2019 am Kirchturm in Sonthofen/Allgäu ausgebaut wurden. Die Bleche besitzen eine dichte und natürlich lebendige Patina.
Ausführung:
1. Sima – Rinne
Den Abschluss des obersten Steingesims bildet die Sima-Rinne. Das Gesims wurde mit einem Tropfblech aus Kupfer abgedeckt. An der vorderen Kante des Abdeckblechs, was eine wesentliche konstruktive Verbesserung zur Nachkriegsdeckung darstellt, wurde ein Rautenlochblech angelötet, das die Belüftung des Dachraums ermöglicht. Die Sima-Rinne wurde im Gefälle gebogen und wird durch das Sima-Vorstellblech verdeckt.
2. Turmdach
Das Turmdach wurde als Doppelstehfalzdach hergestellt. Die Falzverbindungen und die Befestigungen entsprechen dem Stand der Technik. Die Kehlrinne der Dachaufbauten wurden dem Original entsprechend mit einem 5 mm Eckfalz ausgebildet, der rückseitig verlötet wurde. Die Kehlrinnen bestehen jeweils aus 4 Einzelsegmenten, die mit Falzen verbunden wurden. Somit wird die temperaturbedingte Längendehnung gewährleistet. Die Kehlrinnen erhielten zudem aufgelötete Zusatzfalze, in denen die Blecheindeckung eingehängt wurde. Die Querfalze wurden als einfach eingehängte Falze mit einer Breite von 40 mm ausgeführt. Die Längs- und Gratfalze wurden doppelt gefalzt. Die Einführung der Längs- in die Gratfalze wurde stehend ausgebildet.
3. Der Laternenboden
Der Laternenboden wurde ebenfalls im Doppelstehfalzsystem hergestellt, sämtliche Pfosten sowie die Ausstiegsluke wurden rund eingefalzt. Die Säulen der Laterne wurden aus neuem Kupfer hergestellt und anschließend elektrochemisch patiniert. Den oberen Abschluss der Säulen bilden Kapitelle aus Kupferblech. Die Eckausbildungen dieser Verzierungen wurden ebenfalls gefalzt (5mm Falze auf der Innenseite verlötet)
4. Das Laternendach
Das Laternendach wurde mit neuen Kupferblechen im Doppelstehfalzsystem eingedeckt. Die Kehlrinne der Dachaufbauten wurden dem Original entsprechend mit einem 5 mm Eckfalz ausgebildet, der rückseitig verlötet wurde. Das konkav und konvex geformte Traufgesims wurde aus neuem Kupferblech angefertigt. Die Gehrungen wurden an der Innenseite verlötet. Das gesamte Dach der Laterne wurde patiniert.
Die muschelartig verzierten Scheiben sowie die kugelförmigen Abschlüsse der Gaupen wurden wiederverwendet. Die Turmzier wurde ertüchtigt und wieder montiert.
Patinierung der neuen Kupferbleche
Über einen Gleichrichter (Trafo) wird eine elektrische Spannung an das zu patinierende Blech angelegt. Nun wird über eine elektrisch leitende Walze eine Lösung aus Nariumbicarbonat auf das Kupferblech aufgetragen. Es entsteht eine Carbonatschicht, die in der chemischen Zusammensetzung einer natürlich wachsenden Patina entspricht. Auf dieser Grundlage ist eine weitere natürliche Patinabildung möglich. Im Bereich der Kehlen kam eine Kupfer II-Nitratpatina zum Einsatz.
Schlussbetrachtung
Die Eindeckung des im 2. Weltkrieg zerstörten Treppenturmdaches unter Verwendung der Altbleche, die die Zerstörung Rothenburgs, sowie den Wiederaufbau der Nachkriegszeit zeigen, stellen ein wichtiges Dokument unseres Handwerks dieser Zeit dar. Mit den neu eingebauten Blechen aus Zweitverwertung wurde das Konzept der vorherigen Eindeckung aufgegriffen und ins 21. Jahrhundert übersetzt. Es entstand ein neues Dach, unter Verwendung von Altblechen in einer neuen Deckung, das dem Stand der Technik entspricht. Das neue Turmdach fügt sich harmonisch in die Dachlandschaft Rothenburgs ein.
Eine Kupferdeckung – bis ins kleinste Detail geplant, alle Arbeiten handwerklich mit höchster Sorgfalt ausgeführt.
Diese aufwendige Sanierung umfasste einen zeitlichen Aufwand von ca. 1500 Stunden.