- Fertigstellung: 31.12.2020
- Kategorie: Bauwerkserhaltung
- Unternehmen: Rust Dachwerk GmbH
Der Flensburger Bahnhof begrüßt Reisende mit einer weit sichtbaren Turmuhr. Genauso weit sichtbar sind die Kupferarbeiten am Turm, der nach der erfolgten Sanierung 2020 wieder würdevoll auf der Empfangshalle thront. Tausende Fahrgäste sehen die neuen Kupferornamente und die Kupfereindeckung am Flensburger Bahnhof jeden Tag.
Der Uhrenturm des Flensburger Bahnhofes am denkmalgeschützten Empfangsgebäude sollte schon seit längerem saniert werden. Seit 2016 waren schon seitens der Deutschen Bahn AG Überlegungen hinsichtlich der Sanierung vorhanden. Die Rust Dachwerk GmbH aus Glinde, wurde mit der Turmsanierung in allen Leistungsbereichen beauftragt. Die Arbeiten wurden im Januar/ Februar 2020 mit Baustelleneinrichtung und Gerüstarbeiten begonnen. Die Bauarbeiten am Uhrenturm fanden von März 2020 – Dezember 2020 statt.
Aufgrund vorhandener Schäden musste der ganze Uhrenturm eingerüstet werden. Insbesondere die alten Geländerdurchdringungen (Stützen) hatten starke Holzschäden am Bauwerk verursacht. Es wurde durch einen externen Sachverständigen ein entsprechendes Holzschutzgutachten erstellt, der die Schäden am Turm bewertet hat und der die Ausführung bis zum Schluss begleitet hat. Der Turm war in Kiefernholz hergestellt wurden. Alle Querschnitte der Hölzer sind statisch überdimensioniert. Die Verbindungen der Hölzer erfolgten traditionell mit Zapfenverbindungen und Holznägeln.
Es wurde die gesamte Kupferbekleidung des Turms demontiert und entsorgt, incl. der kunsthandwerklichen Ornamente. Es wurde die gesamte Verschalung und die obere Balkenlage incl. Pfettenkranz erneuert. Auch die Bahnhofsuhr, welche zur Eingangsseite hinzeigt, wurde demontiert und zur Restauration zu einem spezialisierten Handwerksbetrieb südlich von Berlin gebracht. Das oben auf dem Turm befindliche Geländer wurde demontiert: da es schwerwiegende Schäden aufwies und nicht mehr aktuellen Sicherheitsbestimmungen entspricht, musste es nach historischem Vorbild neu konstruiert werden. Die Neukonstruktion erfolgte durch den ausführenden Betrieb in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber und der unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Flensburg (Dipl.-Ing. Kirsten Bester).
Nach Beseitigung der Schäden am Holztragwerk wurde der Turm in Anlehnung an das Merkblatt Turmdeckungen des ZVSHK mit einer Holzschalung 28 mm aus Fichtenholz in Nut und Feder versehen. Die Verkleidung des Turmes erfolgte wie bei der vorhandenen Bekleidung aus Kupferblech. Die vorhandene Bekleidung war beschädigt und die Denkmalschutzanforderungen ließen eine Montage industrieller Bauteile nicht zu. Der 10-seitige symmetrische Turm wurde beim Bau des Bahnhofs zwischen 1923 und 1927 so entworfen, dass zwei Fassadenflächen deutlich größer sind, als die übrigen acht Seiten. Eine von ihnen befindet sich auf der Stadtseite des Turms, hier befindet sich die Bahnhofsuhr. Die gegenüberliegende Seite wies keine Uhr auf, weil die Bahnsteige mit zahlreichen Taktgebern ausgerüstet sind. Trotzdem glichen die Ornamente und die Bekleidung der Gleisseite denen der Stadtseite weitgehend.
Die alten Ornamente wurden zunächst demontiert und dienten als Muster zur Formgebung, bevor die Rekonstruktion der Bauteile beginnen konnte. Mit dreidimensionalen Werkzeugen, die extra dafür aus Stahl konstruiert wurden, fertigte das Team um Klempnermeister Michael Messerschmidt aus dem thüringischen Fambach das Jalousieprofil über dem Rahmen, die Reliefstreifen an den äußeren Kanten. Spezielle Rautenornamente unterhalb der Turmuhr und alle Gesimsprofile wurden exakt aufgemessen und im WIG-Verfahren geschweißt aus 1,0 mm starkem Kupferblech. Ergänzt wurde die Arbeit um die Turmuhr um acht spitzwinklige Rosetten. Die übrigen Fassadenflächen wurden mit walzblankem Kupferblech, 0,7 mm stark in Winkelstehfalzdeckung mit versetzen Querfälzen bekleidet. Die Abweichung vom historischen Vorbild wurde in Abstimmung mit dem Denkmalschutz gemacht, da diese Deckart wesentlich sturmsicherer als die vorhandene Bekleidung aus vollen Kupfertafeln ist. Übergänge zur Steildacheindeckung wurden mit einem individuellen Profil aus Kupferblech mit eingefalztem Bleiblechstreifen ausgeführt. Dieser wurde so montiert, dass bei einer eventuellen Sanierung der Hauptdachflächen noch ausreichend Platz ist um einen neuen Dachaufbau anzuschließen.
Das Turmdach wurde, da es nur ein Gefälle von zwei Prozent aufweist, mit einer Dachabdichtungsbahn aus VAE abgedichtet, alle Stützen des Geländers wurden fachgerecht entsprechend der Flachdachrichtlinie konstruiert und ausreichend hoch angedichtet. Der Aufstieg auf den Turm erfolgt durch eine Bodenluke, die auch aktuellen Bauanforderungen entspricht und individuell von der Fa. Columbus (Roto) angefertigt wurde. Der Fahnenmast wurde ebenfalls so erneuert und durch den ausführenden Betrieb Rust Dachwerk so konstruiert, dass auch bei einem Austausch unabhängig von der Eindichtung der Fahnenmast getauscht werden kann. Hier wurde eine Kopfplatte vorgesehen.
Die Bauleitung der Arbeiten erfolgte durch Matthias Rust (Geschäftsführer bei Rust Dachwerk, Dachdecker-, und Klempnermeister, öbuv. SV im Dachdeckerhandwerk HWK Lübeck). Die Ausführungsphase fiel in den Zeitraum der Corona-Pandemie, durch Beschränkungen war der Umbau nicht unmittelbar betroffen. Der Unterschied zwischen neuer und alter Bekleidung, die äußerst wetterfest und wartungsarm ist, ist deutlich sichtbar. Der Dank gilt allen Mitarbeitern und Partnerunternehmen von Rust Dachwerk, die an der Gesamtsanierung mitgewirkt haben; dem Auftraggeber Deutsche Bahn und dem Amt für Denkmalschutz und Stadtbildpflege der Stadt Flensburg, hier sei insbesondere Dipl.-Ing. Kirsten Bester erwähnt, ohne die eine Instandsetzung in dieser schwierigen Zeit in dieser Qualität überhaupt nicht möglich gewesen wäre.
Neben den bautechnischen Aspekten war das Abstimmen aller Gewerke und der verantwortungsvolle Umgang mit der historischen Bausubstanz, die Auswahl und Koordination aller beteiligten Handwerker und die Abstimmung mit dem Auftraggeber sowie dem Denkmalschutzamt, eine herausfordernde Aufgabe, die es zu meistern galt. In diesem Sinne bewerben wir uns in der Kategorie Bauwerkserhaltung, da wir in den gewerkeübergreifenden Aufgaben den Schwerpunkt unserer Arbeit sehen.