- Fertigstellung: 22.12.2020
- Kategorie: Holz
- Unternehmen: Michael Kraus Zimmermeister & Restaurator
Wiederbelebung eines Wohn- und Geschäftshauses in Eichstätt
Ende 2020 gingen unsere Arbeiten an einer spannenden und herausfordernden Baustelle zu Ende. Nach gut 4 Jahren ist aus einem Sanierungsfall wieder ein Schmuckstück geworden, mit 3 Mietswohnungen und einer Gewerbeeinheit. Zur Geschichte des Hauses: Urkundlich wurde es 1625 erstmalig erwähnt und war seither durchgehend bewohnt. Im EG war bis 1955 eine Schmiede untergebracht. Der Dachstuhl stammt von 1701 bzw. 1709. Teile des Hauses z.B. der Keller sind deutlich älter. Zwischen 1625 und der Erstellung des Dachkonstruktion liegt der „Schwedenbrand“ von 1634, in dem Eichstätt stark zerstört wurde. Vermutlich war das Haus betroffen. Das würde zumindest den kreativen Aufbau der Kommunwand erklären: Hier gab es Balken und Riegel die in dem einen Haus anfingen und im anderen endeten.
Das Gebäude ist ein regionaltypisches „Jurahaus“. Diese sind aus Bruchsteinen, teilweise mit Fachwerk gemauert, und sind mit den Kalkplatten aus der Region gedeckt. Dieses sogenannte, „Legschiefer“ ist lose mit 5-8 Schichten von je 8-10mm aufgelegt und wiegt pro Quadratmeter ca. 250kg. Die statische Belastung ist dem entsprechend groß und wurde über die letzten 300 Jahre mehrfach missachtet: Eine Mittelpfette war abgeschnitten und die Lastabtragung von 2 der 3 Binderebenen war nicht mehr vorhanden. Eine undichte Grabenrinne über der Kommunwand und ein partieller Dacheinbruch mit einem ausgewachsenen echten Hausschwamm haben weitere Schäden im Tragwerk verursacht. Das statische Konzept und seine Umsetzung waren die größte Herausforderung. Es mussten neue Abtragungspunkte gefunden werden. Die bestehenden Binderebenen konnten nicht genutzt werden, da sie durch historische Bestandsdecken und eine historische Fensteröffnung geführt hätten, die die Bauherrin im Original erhalten wollte. Abgestimmt mit der Statik und dem Denkmalamt wurde das Konzept erarbeitet: die Lastabtragung geht nun über die Firstpfette und die Außenwände. Dafür wurde der Firstbalken mit einem Fachwerkträger verstärkt und über massive Joche, die als Türeinfassung genutzt werden auf die freitragende Decke im Erdgeschoss übertragen. Dort wurden die alten Deckenbalken mit neuen Brettschichtbalken von unten verstärkt und mit schräg eingedrehten Vollgewindeschrauben kraftschlüssig verbunden. Wegen der historischen Lehmschlagdecke zwischen den Deckenbalken, wurde die Durchbiegung der alten Balken belassen und die Brettschichtbalken entsprechend der Biegung angeschnitten. Die Deckenbalken im Bereich der Lastabtragung aus den oberen Geschoßen wurden zusätzlich mit Stahlprofilen seitlich verstärkt. Die Kommunwand war jeden Tag eine Überraschung: Die Schäden an den Sparrenenden waren sofort sichtbar, dazu kamen die marode Fachwerkwand mit nicht mehr vorhandenem Rähm und angefaulten Fachwerkständern. Darüber hinaus die abenteuerliche Balkenführung zum Nachbarn, der glücklicherweise auch gerade sanierte. So wurden das Tragwerk mit altem und neuem Holz zimmermannsmäßig ergänzt und wieder aufgemauert. Das Ersetzen des vom Hausschwamm befallene Außenfachwerk, die Aufdopplung der Sparrenlage für die Aufdachdämmung und die Ausbildung der aussteifenden Scheiben im Dach, den Querwänden sowie den Decken, waren dann schon die einfachere Übung.
Bei der Innendämmung der Fachwerkwand im Obergeschoss sind wir neue Wege gegangen: Ein plastischer Wärmedämmlehm aus Kork, Holzfasern, Lehm und Kieselgur, der von der Bauherrin, in angeleiteter Eigenleistung, hinter einer von uns gefertigten verlorenen Schalung, lagenweise eingestampft wurde. Ohne zusätzliche Arbeitsgänge und Ankoppelmaterialien geht dieser Wärmedämmlehm eine homogene Verbindung mit der historischen Außenwand als innere Wärmedämmung ein. Der Heizungsbauer hat sich über die leichte Befestigung seiner Wandheizung gefreut. Mit dem Lehmputz und der reinen Kalkfarbe ist der Wandaufbau optimal für den Feuchtigkeitsausgleich aufgebaut. Mit der sanierten Lehmwickeldecke und dem von uns mit einem Kreuzfries verlegten Boden aus den alten Dielen hat der Raum jetzt ein ganz besonderes Ambiente bei bestem Wohnklima.
Gemeinsam mit der Bauherrin, der Architektin und den Behörden haben wir kreative Maßnahmen gesucht um die alte Substanz und dem besonderen Charme zu erhalten.